Über den November 2003

NOVEMBER 2003 als ein Beispiel:

 

An diesem Wochenende (25./26.10.2003) wurden die Uhren eine Stunde zurückgestellt, es beginnen die Winterzeit und bald der November. Ungemütlich, nasskalt, manche(n) depressiv stimmend. Es ist der Monat der Nähe des Todes. Allerheiligen, Buß- und Bettag, Volkstrauertag, Totensonntag..

Und selbst der Karnevalsbeginn am Elften des Elften hat sehr viel mit dem Tod und dem Sterben zu tun. Zwischen der sonnigen Melancholie des weinseligen ''Goldenen Oktober'' und der weihnachtlichen freudigen Erwartung des Advents liegt dieser trbe Monat. Wie gehen wir damit um?

 

Nicht einmal Urlaubsbrücken kann man dieses Jahr bauen, der erste Feiertag - Allerheiligen - fällt auf einen Sonnabend. Nur im Osten Deutschlands ticken die Uhren anders. Dort ist bereits am Freitag, 31. Oktober Feiertag. Die fünf neuen Länder (mit Ausnahme Berlins) bekamen zur Wende diesen Reformationstag geschenkt - obwohl sie ihn vorher nicht hatten und auch heute, außer nach Berlin einkaufen zu fahren - nichts damit anfangen können. 

 

Auf die Frage, wer Martin Luther war, der eben an diesem Tag seine 95 Thesen an die Schlosskirche zu Wittenberg (heute Lutherstadt Wittenberg) heftete, gibt es im Osten und Westen wenig richtige Antworten. 

 

Da ist das reklamegesteuerte Halloween den Massen schon präsenter. Die eventsüchtigen Ämter für Wirtschaftsförderung veranstalten an diesem Tag manche dusselige und total überflüssige  Grusel-Party, anstatt über ihren bis in die Neuzeit kulturprägenden Thesen-Revolutionr nachzudenken. Das keltische Totengedenken ist via Amerika seit einigen Jahren als Hexen- und Grusel-Event etabliert. Auf alle Fälle mehr im prekär-tv-gesteuerten Trend liegend als der Jahre zuvor propagierte ''Weltspartag''.

 

Aber dass Feiertage einen anderen Inhalt bekommen, sieht man beispielsweise an

Allerheiligen (1. November), Feiertag noch in Baden-W�rttemberg, Bayern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und im Saarland.

 

Allerheiligen ist ein alter katholischer Feiertag. Es ist ursprünglich das Fest für sämtliche Märtyrer (Blutzeugen) und alle Heiliggesprochenen. Noch heute gedenkt man am Allerheiligen in der katholischen Kirche in einer morgendlichen Messfeier aller Heiligen, auch der unbekannten.

 

Damit wurde dem Rechnung getragen, dass das Jahr nur 365 Tage hat (wovon nicht alle für die Heiligenverehrung infrage kommen), es aber sehr viele Heilige und Märtyrer gibt. Der Allerheiligentag verehrte damit auch alle Heiligen, deren Name nicht im Kalender erschien. Wie ernst das genommen wurde, zeigt ein Rechtsstreit vor dem Amtsgericht Bad Tölz aus dem Jahre 1920. Dort wurde ein Bauer von einem Sägewerksbesitzer verklagt, geliehenes Geld zuröckzuzahlen. Im Wirtshaus hatte der Bauer gewitzelt und hinausposaunt, er würde das Geld schon bezahlen und zwar am St. Nimmerleinstag, womit er wohl sagen wollte, nie und nimmer.

 

Doch der (salomonische  ) Tölzer Amtsrichter sah das anders: Da der Heilige Nimmerlein nicht im Kalender verzeichnet ist, ist sein Tag wohl am 1.November zu Allerheiligen. 

 

Und da der Bauer versprochen hatte, am St. Nimmerleinstag zu bezahlen, wäre das wohl der 1. November ...

 

Erst an "Allerseelen" (dem 2. Novembertag) gedachte man früher auch aller Verstorbenen, im Besonderen der "armen Seelen im Fegfeuer". Dieser Feiertag wurde von Abt Odilo von Cluny 998 eingesetzt. Der �berlieferung zufolge hörte er nach einer Allerheiligenfeier die Teufel aus dem Berg "Vulcano" (bei Sizilien) heulen, "weil ihnen so viele Seelen entrissen würden". 

 

So bestimmte der Abt, dass noch mehr für die Verstorbenen gebetet werden sollte. Dadurch sollten sie aus dem Fegfeuer und den Qualen erlöst werden. 

 

Nach katholischer Vorstellung befinden sich die Toten, die nicht gleich in das Paradies kommen in einer Art Zwischenzustand der Reinigung, bevor sie in die volle Gemeinschaft mit Gott aufgenommen werden.

 

Allerseelen ist in Deutschland kein gesetzlicher Feiertag mehr, so dass sich das Totengedenken schon aus praktischen Gründen mit dem notwendigen Winterfestmachen der Gräber auf den 1. November verlagert hat. Allerheiligen war auch frher ein wichtiges Familientreffen, man versammelte sich an den Gräbern.

 

Noch zwei Sonntage werden im November mit dem Totengedenken belegt, der Volkstrauertag und der Totensonntag.

 

Der Volkstrauertag (diesmal am 16. November 2003) gedenkt der Toten der beiden Weltkriege 1914-1918 und 1939-1945. Als Heldengedenktag eingef�hrt, verliert er immer mehr an Bedeutung, denn die Helden werden immer weniger und das Heldentum wurde zur nationalen Schuld.

 

Und so verwittern die Kriegerdenkmale und die Blumenstr�u�e werden dort kleiner. Und so ist es still und schamhaft geworden um diesen Tag der Besinnung. Der letzte Sonntag im November ist den letzten Dingen (de novissimis) und damit den Verstorbenen vorbehalten bzw. den Lebenden, die ihrer gedenken. Dabei denken dann alle über die nach, die nicht mehr unter ihnen weilen. Dieses Jahr ist es ausnahmsweise der vorletzte Sonntag im November, denn der letzte Sonntag im November ist bereits der 1. Advent, eine Folge davon, dass im letzten Jahr der 4. Advent auf den Heiligen Abend fiel.

 

Schon in der Antike kannte man Bußzeiten zur Abwendung von Not und Kriegsgefahr. Im Mittelalter entwickelten sich sogenannte Quatembertage, die sp�ter trotz Martin Luthers Kritik in der Reformationszeit, als regelmäßig gefeierte Bu�- und Bettage fortgeführt wurden.

 

Die Eisenacher Konferenz evangelischer Kirchenleitungen befasste sich 1853 und 1878 mit der Einführung eines allgemeinen Buß- und Bettages am Mittwoch vor dem letzten Sonntag nach Trinitatis, der dann von den meisten Landeskirchen �bernommen wurde. 1934 wurde der Buß- und Bettag deutschlandweit auf diesen Tag festgelegt.

äEinzelne Landeskirchen behielten noch weitere Bu�- und Bettage bei. So gibt es in der sächsischen Landeskirche neben dem Herbstbußtag auch die lange Tradition eines Frühjahrsbußtags, der seit 1996 auf den Aschermittwoch gelegt worden war.

 

Der vor uns liegende Buß- und Bettag steht somit in einer langen Geschichte menschlicher Erfahrung 1995 wurde der Buß- und Bettag zur Finanzierung der Pflegeversicherung gestrichen (Entlastung der Arbeitgeber für die Einführung des Arbeitgeberbeitrages). Welch ein albernes Unterfangen!

 

Lediglich in Sachsen blieb er als Feiertag erhalten (dafür zahlen die Arbeitnehmer einen höheren Anteil zur Pflegeversicherung)! ...

 

Den Sinn der November-Feiertage zu verstehen und vor allem zu leben, ist eher unangenehm. Sich mit dem Tod gleich mehrfach in den verschiedensten Denkrichtungen und aus den verschiedenen Blickwinkeln auseinanderzusetzen, wird gerne verdrängt. Und gar zum Büßen und Beten aufgefordert zu werden scheint dem "modernen" (?) event-gesteuerten  Menschen des 21. Jahrhunderts fast unzumutbar. 

 

Und so war es kein Wunder, dass der Bu�- und Bettag abgeschafft wurde. ''Moderne'' Pfarrer in der Mitte des vorigen Jahrhunderts propagierten ihn als ''Kuss- und Bett-Tag'' zum Symbol der menschlichen Liebe und der amerikanische Sender RIAS Berlin entfachte 1979 einen Skandal, als er diesen Tag zum ''Blues- und Beat-Tag'' machte und statt Kirchenliedern eben diese Musik spielte.

 

Und so ist auch verständlich, dass mit dem Karnevalsbeginn am 11.11. um 11 Uhr 11 ein Kontrapunkt der Narretei zwischen die ernsten Tage des Totengedenkens gesetzt wurde.

 

Zur Deutung der Zahl ELF gibt es unterschiedliche Erklärungen. Pflückt. man die ELF auseinander so hat jeder Buchstabe seine Bedeutung: E(galität), L(iberté), F(raternité), Einheit, Freiheit, Brüderlichkeit.

 

 Dies sollte versinnbildlichen, dass alle Menschen nter der Narrenkappe gleich sind. Bekannt sind die Wörter vor allem als Schlagwörter der französischen Revolution. Diese Interpretation stammt aus dem 19. Jahrhundert. Auch gilt die 11 als teuflische Zahl der Maßlosigkeit und Sünde.

 

m Mittelalter, wurden mit der Zahl 11 die Menschen bezeichnet, die außerhalb des Sittengesetzes standen. Die 11 kann auch, passend zur Narrenzeit, als Schnapszahl gesehen werden. Eine weitere �berlieferung besagt, dass in früheren Zeiten, ab dem 11.11. bis zum Frühjahr in landwirtschaftlichen Betrieben die Arbeit niedergelegt wurde. 

 

Mit unseren elektronischen Kalendern einer nüchternen Zeit bemerken wir kaum mehr den Wechsel der Jahreszeiten, die Bedeutung der Monate und den Inhalt der Tage.

 

Doch es lohnt sich, hin und wieder zu besinnen und an die Traditionen zu denken. Und im November eben auch mal an den Tod. Und uns eben auch mal zu freuen, dass in diesem Jahr der letzte Sonntag im November nicht der Totensonntag ist, sondern dass wir an diesem Sonntag bereits die erste Kerze des Advent entzünden d�rfen.

 

Was? Sie freuen sich nicht auf die erste Kerze am Adventskranz und Weihnachten ist Ihnen egal? Sie haben beschlossen, dass es dieses Jahr keine Geschenke gibt und das Lied ''Stille Nacht ...'' nicht gespielt wird? Dass sie keinen Baum schmücken?

 

Wie schade für Sie! Ich freue mich auf den Duft der Bratäpfel, den Frieden und die Liebe der Menschen. Ich höre dem Christkind zu und öffne mein Herz. Und ich freue mich auf den Moment, in dem ich wieder aufgefordert werde, die Weihnachtsgeschichte in unserer Kirche aufzusagen. Tja, in diesen Dingen  bin ich parteiisch. 

Aber vorher - jetzt im November - gedenke ich der Toten, damit später die Lebenden auch mich nicht vergessen werden. Und ich zünde eine Kerze an, damit sie dem Fegefeuer entrinnen. Ob später jemand für mich auch das tut? Und ich werde am 19.November Buße tun und ein Gebet sprechen und einem Besinnungstag nachtrauern, den man überflössigerweise für die mir recht zweifelhaft erscheinende  Pflegeversicherung geopfert hat (und die heute nach x Jahren ein neues Opfer - diesmal von den Rentnern - erwartet).

 

Und am 11.11. um 11 Uhr 11 werde ich (während der Arbeit � ) an den Hoppeditz denken und um 20.11 h werde ich in meiner hoffentlich wieder aufgerumten Bar stehen und meinem hoffentlich aufgeräumten Freundeskreis zuprosten. Ich werde meine Narrenkappe herausholen und dem Tod eine lange Nase zeigen: ''Sieh an, Du Klappergerüst, ich lebe noch und erhebe mein Gläschen und beiße in den Berliner oder in eine Knackwurst ''

 

Und am Sonntag darauf, am Volkstrauertag werde ich mit meinen Gedanken klar kommen mössen. Ich werde an diejenigen denken, die im sibirischen Eis oder im Wüstensand für Volk, Heimat und Vaterland ihr Leben ließen und derer sich heute das Volk schämt. Auch ein Grund, nachzudenken und dann nachdenklich das Gläschen zu heben mit Mario Simmels Romantitel "Hurra, wir leben noch!". 

 

Und werde vielleicht an irgendeinem Kriegerdenkmal ein Blümchen hinlegen und glücklich sein, wenn sich ein paar "Moderne" als Ewiggestrigen beschimpfen.

 

Ich wünsche Ihnen einen erlebnisreichen, nachdenklichen und schönen November 2003. Gerade dieses Jahr, wo dieser Monat mit Allerheiligen beginnt und mit dem 1. Advent endet! ...

 

 


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