Ostern

Bevor ich zum Ostergedanken Stellung nehme, möchte ich ein bekanntes Goethe-Zitat voranstellen.
Manche/r möchte dieses Zitat aus Faust an Frühlingsfeiertagen wie Ostern gern zitieren, bringt aber nur zwei bis drei Zeilen davon zusammen. Übrigens geht mir das genauso ...
Heute stelle ich diese Zeilen voran, weil sie so schön zur Osterzeit passen:

Vor dem Tor
Vom Eise befreit sind Strom und Bäche
Durch des Frühlings holden, belebenden Blick,
Im Tale grünet Hoffnungsglück;
Der alte Winter, in seiner Schwäche,
Zog sich in raue Berge zurück.
 
Von dort her sendet er, fliehend, nur
Ohnmächtige Schauer körnigen Eises
In Streifen über die grünende Flur.
Aber die Sonne duldet kein Weißes,
Überall regt sich Bildung und Streben,
Alles will sie mit Farben beleben;
Doch an Blumen fehlts im Revier,
Sie nimmt geputzte Menschen dafür.
Kehre dich um, von diesen Höhen
Nach der Stadt zurück zu sehen!
Aus dem hohlen finstern Tor
Dringt ein buntes Gewimmel hervor.
Jeder sonnt sich heute so gern.
Sie feiern die Auferstehung des Herrn,
Denn sie sind selber auferstanden:
Aus niedriger Häuser dumpfen Gemächern,
Aus Handwerks- und Gewerbesbanden,
Aus dem Druck von Giebeln und Dächern,
Aus der Straßen quetschender Enge,
Aus der Kirchen ehrwürdiger Nacht
Sind sie alle ans Licht gebracht.
 
Sieh nur, sieh! wie behend sich die Menge
Durch die Gärten und Felder zerschlägt,
Wie der Fluss in Breit und Länge
So manchen lustigen Nachen bewegt,
Und, bis zum Sinken überladen
Entfernt sich dieser letzte Kahn.
Selbst von des Berges fernen Pfaden
Blinken uns farbige Kleider an.
Ich höre schon des Dorfs Getümmel,
Hier ist des Volkes wahrer Himmel,
Zufrieden jauchzet gro�und klein:
Hier bin ich Mensch, hier darf ich’s sein!
 
(Johann Wolfgang von Goethe, Faust I)
 
 
Für die Christen ist die Auferstehung Jesu das zentrale Ereignis ihres Glaubens.
Der Tod wird nicht als Ende, sondern als Beginn eines neuen Lebens gesehen. Damit steht das christliche Osterfest für einen Neubeginn und die Hoffnung, dass das Leben über den Tod siegen wird.
Die Botschaft des Karfreitags?
Das Christentum lebt von der Überzeugung, dass der Karfreitag vor allem im Osterlicht gesehen werden muss.
Gott hat durch einen einzigartigen Selbstbeweis Jesus aus dem Tod herausgerissen: eben in der Auferstehung. Viele Bilder, die wir von der Auferstehung haben, sind nur eine harmlose Verkleinerung dessen was Ostern bedeutet. Ostern ist nicht nur für die Ostkirche ein Fest der Befreiung.
Wir fragen zu wenig danach, wohin Jesus auferstanden ist. Er sitzt zur Rechten Gottes, heißt es. Aber im Kosmos ist solch eine Lokalisierung nicht möglich.
Paulus sagt: Jesus ist auferstanden, hinein in die Herzen der Seinen. Es entsteht ein tief ergreifender Sinn durch den Gedanken der "Einwohnung" des Auferstandenen.
DAS ist eine Zugangsweise, von der ein Hoffnungsimpuls ausgeht.
Jetzt ist Jesus wirklich bei uns. Gerade jetzt in den Ostertagen 2011 empfinde ich den über alle Maßen unsinnigen Irak-Krieg und die Nachwirkungen wie eine persönliche Katastrophe. Krieg ist etwas Antichristliches und geht völlig gegen alle Überzeugungen der Lebenshaltung und Lebensleistung Jesu.
Jesuy wusste in den damaligen Besatzungszeiten durch die Römer, dass im Kriegsfalle kein Stein auf dem anderen bleiben würde. Nichts ist dringender angesagt als ein neues Friedensbewusstsein.
Friede muss alternativlos sein, wie es den höheren Ideen der Menschheit entspricht. Dann ergreift er das Denken und das Herz der Menschen und bestimmt das Handeln. 
Im Christentum dauert die Osterzeit 50 Tage bis Pfingsten. Vor dieser Osterzeit liegt die katholisch betrachtet die Fastenzeit, die von den Protestanten Passionszeit genannt wird, die 40 Tage dauert und mit dem Aschermittwoch beginnt.
Ostern ist aber nicht nur aus dieser christlichen Bedeutung heraus entstanden, sondern hat seine Wurzeln auch in anderen Religionen.
Die Germanen haben das „Ostara-Fest“ gefeiert, das auch in diese Zeit fiel. Die Verbindung zum jüdischen Passahfest, zum Frühlingsfest oder zum Fruchtbarkeitsfest sind historisch belegbar.
Die Terminierung von Ostern ist aus zwei Traditionen heraus zu erklären. Die Christen feiern die Auferstehung Jesu nach dem jüdischen Passahfest, denn Jesus ist am dritten Tag nach Passah auferstanden.
Das Passahfest findet am 14. Nisan, der ersten Vollmondnacht des ersten Monat des Jahres statt (nach dem babylonischem Mondkalender) und erinnert symbolisch an den Auszug Israels aus Ägypten.
WAS IST DAMALS EIGENTLICH PASSIERT?

Rom hat damals Jesus nach kurzem Prozess schimpflich hin­gerichtet. Schnell musste es gehen, bevor Hunderttausende in die Stadt zum religiösen Fest kamen. Der Prokurator und die Widersacher aus der Priesterkaste waren unter Zeitdruck.  Warum war dieser Je­sus von Nazareth einer Weltmacht überhaupt gefährlich geworden?

Bekanntlich sind die Evangelien bestrebt, den Anteil der Römer an dem Prozess gegen Jesus herunterzu­spielen: Pilatus soll seine Hände demonstrativ in Unschuld gewaschen haben. Er dürfte aber sehr genau gewusst haben, was er tat, als er Jesus dem Kreuz überantwortete.

Das tödliche Verbre­chen, dessen sich der Jude schuldig gemacht hat, lag aus römischer Sicht sehr wahrscheinlich in Jesu Kritik am Tempelkult und ist an den Machtverhältnissen in Jerusalem begründet.

Der Tempelbezirk war ein mehr als heikler Punkt in der römischen Herrschaft über die Provinz Judäa. Wer hier in diesem Kultur- und Verwaltungszentrum Unruhe stiftete, konnte immer mit Aufmerksamkeit rechnen und fast  immer auch einen Aufstand provozieren.

Aus tak­tischen Gründen arbeiteten die Rö­mer deshalb mit der Priesterkaste in Jerusalem, den Sadduzäern, zusam­men: Sie verwalteten mit Duldung der Römer den Tempelkult und einen Teil des öffentlichen Lebens. Sie wahr­ten so eine sehr eng begrenzte Form jüdischer Selbstverwaltung. Der Ho­hepriester im Tempel war zugleich Vorsitzender des Sanhedrin (oder Synhedrion), des Hohen Rates, der seit dem 2. Jahrhundert v. Chr. die höchste jüdische Behörde bildete.

Mit seiner Kritik an den Geld­wechslern im Tempel ,,Ihr aber habt eine Räuberhöhle daraus gemacht") griff Jesus sowohl die auf ihre Macht bedachten Sadduzäer als auch die auf Ruhe bedachten Römer frontal an.

Was folgte, war ein klar abgesteckter Instanzenweg: Der Hohe Rat klagte Jesus an und sprach das Todesurteil aus, das er aber nicht selbst vollstrec­ken durfte. Dieses Recht hatte nur der römische Prokurator. Der strengte ei­nen eigenen Prozess mit eigener Be­weisführung an, was keineswegs rei­ne Formsache war: Der römische Spruch konnte durchaus anders aus­fallen als das Urteil des Sanhedrin.

So berichtet der jüdische Geschichts­schreiber Josephus Flavius vom Fall eines Mannes, der im Jahr 62 in Jeru­salem in immer gleichen Worten Un­heil prophezeite:

,,Eine Stimme vom Aufgang, eine Stimme vom Nieder­gang, eine Stimme von den vier Win­den, eine Stimme gegen Jerusalem und gegen den Tempel, eine Stimme gegen den Bräutigam und gegen die Braut, eine Stimme gegen das ganze Volk.“

Dieser Prediger durchlief den glei­chen Instanzenweg wie Jesus: Ankla­ge vor dem Sanhedrin, Todesurteil, Auslieferung an den römischen Statt­halter Albinus.

Der aber kam zu dem Ergebnis, dass der Unheilsprophet schlicht wahnsinnig sei.

Das Urteil: Freispruch.

Der römische Prozess ging also durchaus eigene Wege, was auch als Zeichen für das hohe Rechtsbewußtsein der Römer gesehen werden kann. Gerade die Eigenständigkeit der römischen Urteile zeigt, wie sehr Jesus aus römischer, dem eigenen Machtkalkül gehorchender Sicht als hochgefährlich eingestuft wurde.

Die Inschrift an Jesus Kreuz  "Rex Judaeorum, König der Juden, war vermutlich ein juristischer Fachbegriff für Aufrührer. (Nun ja, ich habe ihn ja nie als Langeweiler verstanden.) Einen Hinweis darauf liefert wiederum Josephus Flavius. Er benutzt das griechische Wort für König, Basileus, als Sammelbegriff für Anführer von jüdischen  Gruppen, die ,,den Untergang der staatlichen Ordnung“ herbeiführen wollten,  sprich: der römischen  Herrschaft ein Ende setzen wollten-

Auch Jesus wurde in diesem Sinn als ,,König“ hingerichtet. Den Christen erschien er später in anderem Sinne als König -  einem Sinn, mit dem  Rom nichts anfangen konnte.

Die Osterbotschaft sagt uns immer wieder:
LEIDEN MUSS NICHT SINNLOS SEIN.

 

Ein Blick auf den Kalender der Osterzeit verrät uns:

Zahlreiche ,,freie Tage" stehen bevor, der Karfreitag, der (wie lange noch?) Ostermontag.

Wie stark sind Karwoche und Osterfest überhaupt noch im Bewusstsein der Menschen, die wohl mehr dem langen Wochenende entgegenleben, verwurzelt?

Welche Bedeutung hat die Karwoche heute für die Menschen?

Ich habe den Eindruck, dass das Bewusstsein über die Bedeu­tung der Karwoche leider zurückgeht. Die Karwoche ist für  Christen der wesentlichste Teil des Kirchenjahres, weil sich das Heilsgeschichtliche in dieser Zeit ereignete: Dass Gott Mensch wurde, bis in die tiefsten Tie­fen des Menschseins hinein, dass das Leben im Tod verborgen war und Ostern hervorgetreten ist.

Deutlich wurde damit, dass das Leben stärker ist als der Tod.

Es dürfte klar sein, dass die totale Leidensvermeidung kein erstrebenswertes Ziel sein kann. Dass im Leiden auch eine Chance liegt und dass Leiden nicht nur vollkommen sinnlos sein muss, sondern dazu helfen kann, dass man reift, in seinem Menschsein wächst. Von daher kann sich der Mensch auch den dunklen Seiten seiner Existenz zuwenden und ihnen standhalten, um sozusagen durch Karfreitag zum "inneren" Osterfest zu kommen und damit stär­ker zu werden.

Die Karwoche ist ein Impuls, der dazu auffordert, nicht besinnungslos zu werden, sondern zur Ruhe zu kom­men und dunkle Seiten auszuhalten. Das gibt es doch alles, ewig aktuell: Es gibt doch  Streit, es gibt Verletzungen, es gibt Krankheit, Leid und Tod. Es geht darum, dies nicht einfach zu verdrängen, sondern wirk­lich genau anzuschauen, auszuhalten und zu fragen:

Wie integriere ich all das in mein Leben?

Das Osterfest ist eine Hilfe, dies in einen sinnvollen Zusammenhang zu setzen. Wir kön­nen nicht nur sagen: Sinn ist da, wo des Lebens pralle Fälle ist, und da, wo, Leid ist, ist es sinnlos. Denn: Bei­des gehört zum Leben als Mensch dazu. Das können/sollten wir in der Karwoche bewusst wahrnehmen.

Ich kann dunkle Seiten nur in mein Leben integrieren, weil ich weiß, dass Gott ganz Mensch geworden ist, gelitten und damit mein Leiden auch geadelt hat.

 

 


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